OGH-Entscheidung zur materiellen Überprüfung bereits eingetragener Stiftungsurkunden und zu Änderungsklauseln

OGH-Entscheidung zur materiellen Überprüfung bereits eingetragener Stiftungsurkunden und zu Änderungsklauseln

In einer aktuellen Entscheidung setzte sich der OGH mit der Frage auseinander, ob auch bereits eingetragene (ältere) Fassungen einer Stiftungsurkunde der materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts unterliegen (OGH 6 Ob 100/22g). Ausgangspunkt war dabei eine eingetragene Änderung der Stiftungsurkunde, wonach das Änderungsrecht von Begünstigungsquoten in der Stiftungszusatzurkunde abhängen sollte. Im Weiteren wurde ein Änderungsbeschluss gefasst, dessen Wirksamkeit nach Ansicht des Gerichts aber davon abhängt, ob die zuvor unternommene Änderung der Stiftungsurkunde rechtmäßig ist. In diesem Zusammenhang hat der OGH klargestellt, dass eine vom Einstimmigkeitsprinzip abweichende Änderungsklausel gemäß § 3 Abs 2 PSG ausschließlich in die Stiftungsurkunde aufzunehmen ist. In der vorliegenden Konstellation ging damit allerdings die Frage einher, ob eine bereits früher eingetragene Änderung auf ihre materiellrechtliche Wirksamkeit hin überprüft werden kann. Dazu führte der erkennende Senat aus, dass eine firmenbuchgerichtliche Eintragung für rechtsbegründende Änderungen einer Stiftungsurkunde zwar notwendig ist, aber keine hinreichende Bedingung für ihre Wirksamkeit darstellt (Verweis ua auf OGH 6 Ob 140/14b, 6 Ob 191/21p).

Im Ergebnis kann daher eine bereits eingetragene Fassung der Stiftungserklärung auch in der Zukunft Gegenstand der materiellen Kontrolle des Firmenbuchgerichts sein. Gerade für Stiftungen, die vor mehreren Jahren errichtet wurden, entsteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Der Grund liegt darin, dass die Auslegung des in den Materialien (ErlRV 1132 BlgNR 18. GP 21) verwendeten Begriffes der Stiftungserklärung zunächst strittig war. Zwar sollte die Auslegung nunmehr weitgehend einhellig geklärt sein, sodass der Begriff „Stiftungserklärung“ nicht die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde gleichermaßen erfasst. Gleichwohl könnten nach dem heutigen Rechtsverständnis unzulässige ältere Stiftungsurkunden im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle aufgegriffen und daran geknüpfte Beschlüsse für unwirksam erklärt werden.